Manfred Kannenberg-Rentschler (1)

Das Ende der bundesdeutschen Wirtschaft, Demokratie und Kulturentwicklung, wie wir sie kannten

Jetzt ist in weniger als sieben Monaten passiert, was undenkbar schien: Eine Art Regimewechsel in der Bundesrepublik Deutschland. Das Mantram der sozialen Marktwirtschaft, die Gewaltenteilung und die Bürgerbeteiligung bei öffentlicher Meinungs- und Willensbildung sind einem schlichten Staatsdirigismus und uniformen Verordnungsstaat und Zensur gewichen. Vorerst vielleicht, aber folgenschwer.-

Undenkbar , weil die Bundesrepublik Deutschland geradezu konstituiert war seit 1949 als repräsentative Demokratie, soziale Marktwirtschaft und als Garantie der Freiheit der Künste, Wissenschaft und Lehre, – und sich so auch Jahrzehnte gegenüber dem anderen deutschen Teilstaat in Stellung gebracht hat, zumal nach dem Beitritt der DDR.

Dieses staatliche , scheinsozialistische Konstrukt mit sowjetischer Hilfe hatte vierzig Jahre Lebenszeit und zerfiel an der besonnenen Erhebung seiner Bevölkerung , die ihre Würde und Lebensrechte einforderte. Sein Pendant die BRD hatte auch vierzig Jahre Zeit und dann nochmal dreißig nach der Einverleibung der DDR. Und entpuppt sich nun als Scheindemokratie, gelenkte Wirtschaft und bevormundete Kultur. Die Grundfragen, das Verhältnis von Arbeit und Kapital, waren nur provisorisch gelöst und materiell verkleistert. Zugang zu Kapital degenerierte zum Börsenvorgang; das Recht auf Arbeit und deren Würde sind auf Job und materiellen Anreiz reduziert. Im materiellen Dauerwachstum treten diese Verletzungen nicht zu Tage. In Krisen schon.

Nun quasi über Nacht: Notstandsverordnungen, Reisebeschränkungen, Besuchs-, Ausgeh- und Versammlungsverbote, Betriebsschließungen, Staatsbeteiligungen an „systemrelevanten“ Betrieben, Digitalisierungspakte, Subventionen, astronomische Haushaltsverschuldungen, Schließung von Konzertsälen und Theatern, Kirchen, Schulen und Hochschulen, Milliarden von staatlichen Fördergeldern der Forschungen, die der propagierten Kriegs-und Bekämpfungsstrategie gegen ein Virus entsprechen, nämlich Impfen uvm. – Auf unabsehbare Zeit und gekoppelt an die hoheitliche Auslegung von Statistiken über die Ausbreitung von Ansteckungen. Zugleich ein Wegducken der Gerichtsbarkeit bei Eilklagen wegen der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen und Normenkontrollverfahren. Selbstzensur der Leitmedien in der Berichterstattung. Ein neuer so noch nicht bekannter Kollektivismus und Totalitarismus hat sich im Namen der Volksgesundheit eingenistet. Und wer glaubt, dass sei doch vorübergehend und ein weiterer Lockdown unwahrscheinlich, übersieht die vollmundigen und pathetischen Ankündigungen von Staatsoberhaupt, Kanzlerin, Länderchefs und anderen politischen Führungsgremien, dass danach nichts mehr so sei wie vorher…Und er übersieht die schon getätigten Weichenstellungen.

Wenn ein Staat wie die BRD mit einem Bruttosozialprodukt von (2019) 3,4 Bill. mit 2,2 Bill. Öffentlichen Schulden (einschließlich Länder und Kommunen) „Hilfspakete“ in Höhe von 1,3 Bill. schnürt, begibt er sich und künftige Generationen wissentlich in die Schuldenfalle, oder absehbar auch in den Staatsbankrott oder eine Hyperinflation. Wer leiht ihm dann noch Geld außer zwangsweise künftige Generationen oder internationale Finanzoligarchen (Zum

Vergleich: Larry Finks Black Rock verwaltet gegenwärtig 7,8 Billionen Dollar weltweit)? Die Exekutive dirigiert die Art des Wirtschaftswiederaufbaus durch ihren willkürlichen Machtspruch . Die Unverhältnismäßigkeit der Einschränkungen wird zur disproportionalen Verzerrung der propagierten Art staatlicher Wiederbelebung des Wirtschaftslebens. Zugleich haben die Befehlsgewaltigen den frühzeitigen Verdacht eines Fehlalarms aus dem Fachberaterkreis des Ministeriums für Inneres nicht ausräumen können. Und auch der Verdacht der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen wurde durch den unabhängigen Corona-Untersuchungsausschuß erhärtet und bis heute regierungsseitig nicht widerlegt.

Wie 193 andere Staaten hat die BRD angstgetrieben gegen Ende März d.J. wie auf ein Kommando der WHO, die einige Jahre zuvor die Kriterien, was eine Pandemie sei, herabgestuft hat, eilends mit Lockdown des öffentlichen Lebens per Anordnungen reagiert, nachdem das Parlament eine Bedrohung nationaler Tragweite ausgerufen und bis heute nicht widerrufen hat: Politisierung der Medizin, Propagandafeldzüge zur Verängstigung , Anordnungshoheit der Exekutiven von Bund, Ländern und Kommunen. Und so erleben wir ein Staatsgebaren, wie wir es uns nach der geltenden Verfassung nicht hätten ausdenken und auch nicht für möglich halten können. Als Untertanen sind wir seit Ende April befehlsweise hinter Gesichtsmasken geschickt worden, kontrollieren einander gegenseitig und verharren in Ungläubigkeit über das , was gerade geschieht.- Der unangemessene zentrale machtpolitische , mit anderen gesellschaftlichen Kräften und Selbstverwaltungsorganen nicht abgestimmte Aktionismus auf dürftiger virologischer Grundlage und die bis heute anhaltenden Reglementierungen haben die Wirtschaft der BRD in die tiefste Rezession geführt, eine Flut von privaten und betrieblichen Insolvenzen gezeitigt, das Lernen und Studieren weitgehend in die virtuelle Welt verlagert. Die kulturelle Produktivität, das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die öffentliche Kommunikation sind schwer beschädigt.-Die erzwungene oder freiwillige Übergabe der Einzelverantwortung an die autoritäre Staatsgewalt hat in der deutschen Geschichte zu Hauf gegeben, gewaltsam, pathetisch, imperialistisch, brutal oder ideologisch-kämpferisch begründet . Als allmächtiger Gesundheitsfürsorger hat der Totalitarismus sein Gesicht bisher noch nie maskiert.

Ein Komplott? „Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre“(Goethe). Das Lehrstück der Außerkraftsetzung rechtlicher, wirtschaftlicher und kultureller Spielregeln, in das wir seit 23. März d.J. hineingezwungen sind, offenbart sich selbst. Herrschaftsmonopol und Finanzmacht haben ihr Handeln von der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgekoppelt. Sie machen kein Geheimnis aus dem, was sie vorhaben mittels der Schaffung der kompletten Abhängigkeit und Fremdkontrolle des Einzelnen. Man schaue in Klaus Schwabs (World Economic Council) Reiseführer und Masterplan: COVID 19 – Der große Umbruch- oder in Paul Schreyer: Chronik einer angekündigten Krise.

Aber auch das Lesebuch der sozialen Gegenwart liegt aufgeschlagen vor uns. Niemand berufe sich darauf , darin nicht lesen gelernt zu haben von den wirklichen sozialen Entwicklungskräften. Nachdem die Angst-Droge, die anfangs verabreicht wurde, ihre Wirkung verliert, wird die Eigenverantwortungsübernahme des Individuums statt der Unterordnung unter das Kollektiv neu wirksam. Die Falschheit der Phrase im öffentlich- kulturellen Diskurs wird durch den Einzelnen in sich selbst überwunden. Das Verhängnis der bloßen Konvention in vertraglich-rechtlichen Zusammenleben weicht einem Rechtsschöpferischen und die Routine in wirtschaftlichen Zusammenhängen wird abgelöst durch bewußt gewollte Kooperation und Bedarfsdeckung. Zukunftswerkstätten in allen drei

Sphären gesellschaftlichen Lebens werden eröffnet oder sind längst tätig. Die selbst denkenden Individuen nehmen selbstverantwortlich die soziale Entwicklung des öffentlichen Lebens und seine Genesung in ihre Hände. –

Denn : Diesem Ende einer ins Absurde gesteigerten Illusion der zentralen Steuerbarkeit, seiner ideologischen, parteipolitischen-lobbyistischen Verhärtungen und des Gewohnten wohnt auch ein Anfang inne. „Das Neue stellt sich neben das Alte hin. Jenes hat sich dann durch die innere Kraft und Berechtigung zu bewähren; dieses bröckelt aus der sozialen Organisation heraus.“*

Das Neue ist längst da, manchmal erst als Keim und drückt sich aus in zukunftstragenden Formen wie Verantwortungseigentum an Grund und Boden und produzierten Produktionsmitteln anstelle der reinen Orientierung an Kapitalvermehrung. Es lebt in verbindlichen Zusammenarbeitsformen zwischen ökologischen Landwirten und Weiterverarbeitern und Verteilern, Fairem Handel, gemeinwirtschaftlichen Gründungen. Es schafft sich Geltung in neuen Formen der Kreditvergabe, in unabhängigen Forschungsinstituten, Schulen, Hochschulen, Therapeutika in freier Trägerschaft und Genossenschaften uvm. In Mitteleuropa sucht die Weltwirtschaftsgemeinschaft nicht nach seltenen Erden, Gold, industriellen Exportüberschüssen, Waffenschmieden, sondern nach dem unabhängigen Geist, Bildung, Künsten, Sanierung der Naturgrundlagen, erweitertem Heilwesen und Kooperativen im Wirtschaftleben.

Corona ist zur Mut-und Entwicklungsprobe unseres sozial gerichteten Handelns aus eigener Erkenntnis geworden und zu dessen Ermutigung.

Guenther Stimpfl: Janus-Kopf mit Rumpf

MKR, Berlin , den 26.10.2020 (Text erschien am 4. November in Rubikon-Magazin für die kritische Masse)

*) aus „Dreigliederung und soziales Vertrauen-Kapital und Kredit“ , R. Steiner: Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915-1921, GA 2

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Nachtrag zum 9. November 2020 zu : „Das Ende der bundesdeutschen Wirtschaft, Demokratie und Kulturentwicklung, wie wir sie kannten.“(M. Kannenberg-R.)

Der Beschluss der Epidemischen Notlage nationaler Tragweite vom März durch die Volksvertreter des deutschen Bundestages hat die Vollmacht für Verordnungs-Maßnahmen zur Bekämpfung der Ansteckungsgefahr durch einen Virus vollständig auf die Exekutive, die Regierungen von Bund und Ländern abgetreten und seither auch nicht zurückgefordert. Im Gegenteil: In dieser laufenden Woche soll mit der Parlamentsmehrheit der Regierungsparteien diese Verordnungsvollmacht durch Veränderung des Infektionsschutzgesetzes auch in Gesetzesform gebracht werden, damit die Lockdowns, Maskenanordnungen, Betriebsschließungen, Berufsverbote etc. auch wie es heißt „gerichtsfest“ sind. Mit anderen Worten, das Axiom der Gewaltenteilung wird weiter beschädigt. – Das anhaltende Verbot von vielen Dienstleistungen , von Reisen, der Gastronomie, Künstler-und Kulturszene, Sportausübung, Besuchen und Versammlungen auf unbestimmte Zeit durch Bund und Länder wird zeitgleich von denselben Akteuren die Impfstrategie durch Schaffung Vorbereitung von 60 Impfzentren u.a. vervollständigt. Wer denkt da nicht unwillkürlich an die Ankündigung, die der Ober-Impfstratege Gates an Ostern (!) im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen gegeben hat (Tagesthemen)? Während damals die Kanzlerin durch das Verbot der Gottesdienste im Lockdown schmallippig ein „ganz anderes Ostern“ ankündigte, lässt sie nun ihre ängstlich auf den Statistik des fragwürdigen und diagnoseuntauglichen PCR-Tests starrenden Untertanen auf die Ankunft eines erlösenden Impfstoffes im nahenden Advent hoffen. – Teufelskreis bürokratischer Anordnungen und statistischer Gefangenschaf. Inmitten einer beispiellosen Kulturzertrümmerung durch Lockdowns hierzulande erinnern wir: Viele Neunte November haben diesen deutschsprechenden Teil der Menschheit heimgesucht und sein Ringen um eine Gemeinschaftsform begleitet und verdüstert oder erhellt: 1919, 1923, 1933, 1989, 1990 uvm. Im Corona-Jahr 2020 ist dieses Schwellen-Datum erneut zu einer Weichenstellung geworden. Vermögen wir den Genius unserer Kultur, der sich immerfort in so vielen Denkern, Dichtern, Forschern und Künstlern Ausdruck verschaffte, durch unsere eigene individuelle Geistexistenz jetzt als sozialen Gestaltungswillen in die Waagschale der öffentlichen kulturellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Geschicke zu werfen? –

„Anmut sparet nicht und Mühe / Leidenschaft nicht noch Verstand / dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein anderes gutes Land /“ (Bertold Brecht: Erste Strophe seiner „Kinderhymne“)

Anliegend: Offener Brief der „Ärzte stehen auf“ vom 9.11.2020 und „Anwälte schlagen Alarm“ https://augenaufunddurch.net/2020/11/13/blind-vor-angst/

Berlin, am 18. November: Heute hat das Parlament mit 415 Ja-, 236 Nein-, 8 Enthaltungen das „Dritte Infektionsschutzgesetz“ beschlossen, Bundesrat und Präsident haben es durchgewinkt und uns der Impf-Diktatur noch ein Stück näher gebracht.